Vilnius - Mit dem Klapprad gegen Brabus und Mansory

Von unserem Camp in den Masuren fahren wir immer weiter gen Osten. Unsere nächste Station ist Vilnius, die Hauptstadt von Litauen. Über wellige Straßen und kleine polnische Dörfer fahren wir gemütlich immer in Richtung Grenze. Auf dem Weg kommen wir der russischen Grenze zu Kaliningrad ganz nah, die Straße führt fast direkt am Grenzzaun entlang und bei mir fängt es an in der Bauchgegend an zu kribbeln. Russland so nah zu sein zeigt Wirkung auf mich. Schon immer wollte ich nach Russland. Ich kann mich erinnern, dass ich mir als 15-Jährige einen Reiseführer gekauft und darin gelesen habe. Die russische Kultur empfand ich immer als sehr spannend und das riesige Land übte eine gewisse Faszination auf mich aus. Durch die westlichen Medien war natürlich auch ich mit Vorurteilen total versaut worden und insgeheim war es noch der große „Feind“ im Osten. Gerade das Verbotene und damals Unbeliebte reizte mich. Jetzt war die Grenze so nah und ich wurde leicht nervös und verspüre gleichzeitig Vorfreude auf die bevorstehende Reise nach russisch Karelien. 

 

Als ich wieder im Auto saß holte ich meinen Pass raus um nochmals das russische Visum zu sehen. Ja, es war korrekt ausgestellt und wir dürfen ab dem 1.6. einreisen und sogar für 3 Monate bleiben. Ich wechselte auf die Beifahrerseite und Peter fuhr weiter in Richtung Autobahn über die Grenze nach Litauen. Ein weiterer Länderpunkt war gemacht. Ich fotografiere noch die Grenzmarkierung und vor uns eröffnete sich eine super moderne, bestens ausgebaute Autobahn. Noch eben waren wir auf welligen Straßen in Polen unterwegs gewesen, nun fuhren wir,  verglichen dazu, im Verkehrschaos. Der Transitverkehr war deutlich zu spüren und LKW reihte sich an LKW. Auch mehr PKWs fuhren in beide Richtungen. Mir fiel gleich ein Unterschied in der Fahrweise auf. Litauen ist in Europa dafür bekannt im Vergleich zu seiner Bevölkerungszahl die höchste Rate an Verkehrstoten aufzuweisen. In den nach folgenden Tagen sollte dies uns noch deutlicher bewusst werden. Kaum einer hielt sich an Geschwindigkeitsbegrenzungen. Nicht, dass man nur etwas schneller fuhr, teilweise fielen uns Übertritte bis zu 30 kmh auf. Sowohl auf der Autobahn als auch innerorts. Von den Überholmanövern ganz zu schweigen. In Vilnius waren wir mit den Klapprädern unterwegs und ich hatte stets ein ungutes Gefühl. Auch war uns aufgefallen dass es viel getunte Autos gibt und die Leute am Tage und vor allem in der Nacht Rennen auf den Straßen fuhren. 

 

Selten habe ich so viele Fahrzeuge von wirklich namenhaften und den teuersten Tunern wie z.B. Brabus oder Mansory gesehen, hier war es eher so, dass mir täglich 3-4 Fahrzeuge dieser Art auffielen. In München habe ich hin- und wieder mal einen AMG getunten Mercedes gesehen, der mir aber nie durch eine verrückte Fahrweise negativ aufgefallen war. Hier war es nun nervig und ich hatte ständig Schiss übergebraten zu werden mit meinem kleinen Fahrrad. Dann gab es zusätzlich noch die vielen kleinen Schrottkisten, die fürchterlich aufgebohrt waren und entsprechend durch die Straßen röhrten.

 

Ein Negativpunkt hatte sich Vilnius damit bei mir verdient. Allerdings wurde dies wieder wett gemacht durch freundliche Menschen und ein wunderschönes Stadtbild, wo wir gute 3 Nächte verweilten. Am Samstag versacken wir regelrecht auf dem Stadtfest. Die Stadt erinnerte mich ganz stark an Prag, sehr viele gut erhaltene oder neu restaurierte barocke Häuser und viele junge, kuglige Menschen. Richtig gut, Peter und ich hatten am Samstag maximalen Spaß und tranken einige Gläser Wein, so wie es fast alle taten. Aus jeder Kneipe tönte Punk Rock oder es legten DJs auf der Straßen auf. Positiv fiel uns auf, dass viele Menschen sehr modisch und vor allem individuell gekleidet waren. Wir empfanden es als herrlich die Menschen und die Styles zu beobachten. In München waren wir nun mal nur diesen langweiligen Münchener Schiski-Micki Einheitslook gewohnt. Hier sah man einfach alles vom Punk-Rocker, Musiker, Hippie, Hipster und stylische Menschen im gepflegten Eurolook und selbstverständlich auch den russischen Geldadel oder die gutverdienende russische Mittelschicht.

 

Die Russen empfand ich eigentlich am Interessantesten. Teilweise herrlich überzogen, von der Gesichts-OP, bis zur ausgehungerten Figur und breitschultrige Männer im teuersten Fummel im dicken Auto. Ich hatte riesigen Spaß und konnte mich einfach nicht satt sehen. Herrlich diese Vielfalt. Es war wie im Bilderbuch und völlig grotesk. Einfach geil, ich hätte schreien können vor Spaß. Allerdings gab es auch die wirklich hübschen Russen mit Style und Geschmack, wobei ich zu dem Schluss kam, dass russische Frauen mir optisch besser gefielen als das männliche Exemplar. Da lobe ich mir doch dann lieber einen gut aussehenden Westeuropäer oder auch Südeuropäer. Sogar die hübschen Männer von der arabischen Halbinsel mochte ich lieber als den klassischen Russen. Ich festigte also innerlich meinen Männergeschmack und schmunzelte in mich hinein. Wobei ich aber auch sagen kann, dass Westeuropäerinnen im Vergleich zur gepflegten und nicht zu abgedrehten Russin auf meiner Scala eher einen Hauch schlechter wegkommen. Da können wir uns durchaus noch etwas Mühe geben, wenn es um das Thema Mode und Style geht. 

 

Solche Vergleiche und Gedanken auf der Reise machen mir immer besonders viel Spaß, es ist einfach herrlich sich mit den Menschen und der Welt zu beschäftigen. Ich habe mir in den letzten Wochen immer mehr angewöhnt genauer und auch länger hinzusehen, die Dinge länger auf mich wirken zu lassen. Nicht nur Sehenswürdigkeiten bleiben mir länger im Kopf, sondern Eindrücke, Begegnungen und Gefühle in Bezug auf die Menschen in einer Stadt und Land. Immer wieder genieße ich solche Tage.  

 

Zufrieden radeln wir angeheitert nach Hause und sind glücklich über die schönen Tage in Vilnius. Für den nächsten Tag steht etwas Sightseeing auf der Liste, ein Besuch am Schloss Trakai ist geplant und auch wollten wir noch das geographische Zentrum Europas besuchen, das auf unserer Fahrstrecke liegt.