Höher, Weiter, Schneller - auch Helden sind unterwegs

Wir sind nun fast 6 Monate unterwegs, was als gefühlter Urlaub begann entwickelt sich nun bei uns zum Alltag. Wir sind langsam unterwegs, haben viel Zeit und können dadurch intensiv beobachten, wir treffen auf sehr viele Menschen aus den verschiedensten Ländern. Alle verbindet das Reisen, immer wieder faszinierend finde ich vor allem die Vielfalt der Reisearten. Es gibt Zweiradreisende, sei es mit dem Rad oder Motorrad, viele die auch wandernd unterwegs sind. Natürlich gibt es auch die unterschiedlichsten Autoreisenden. Die allermeisten Zeitgenossen sind sehr entspannt unterwegs. Aber es gibt sie, diese ewigen Helden, Trolle und Hammerwerfer, die man unterwegs in der Regel übersehen möchte, aber deren Stilblüten uns immer wieder begegnen. Wir haben festgestellt, je zivilisierter die Region, desto mehr Stilblüten gibt es. Vielleicht mag es daran liegen, dass sich hier der Reisende sich nicht wirklich anstrengen oder gar improvisieren muss. Er hat also nicht die Notwendigkeit mit anderen Menschen zusammenzurücken. Es lebt sich eigentlich fast wie Zuhause. Wird es hingegen unzivilisierter und für den reisenden Europäer ungewohnter, erlebt man ganz anderes Verhalten

 

In Russland erlebten wir beispielsweise immer wieder, dass Westeuropäer oft zusammenrückten, wenn man sich unterwegs traf. Ähnliches haben wir in den entlegenen Gebieten in Marokko erfahren. Wir mußten alle mit den gleichen Bedingungen klar kommen, die uns das Land bot. Es gab keine Aufschneidereien, und Angebereien bezüglich der Reisearten und Erlebnisse. Der Biker aus Russland fuhr halt mit dem Mopped, wir halt mit dem Landy und der Holländer halt mit seinem weißen Womo. Wir hatten aber alle oft die gleiche Richtung, tauschten uns aus, gaben Tipps weiter und halfen einander weiter, wenn Not geboten war. Keiner nahm sich zu wichtig oder stellte seine Reiseart über die des anderen. Hier in Norwegen erleben wir teilweise anderes Verhalten, je südlicher und touristischer wir kommen, desto mehr verändern sich auch die Reisenden.

 

„Der Radler rümpft die Nase über die Benzinreisenden, der Womofahrer guckt komisch, wenn ein Geländewagen neben ihm auf dem Campingplatz einparkt, der wiederum stellt sich lieber bockig ganz abseits ins einzige Schlammloch des Campingplatzes oder notgedrungen zu den Bussen und zu den PKWs mit Dachzelten“. Ich übertreibe jetzt natürlich, aber wir stellen häufiger fest, dass sich die Reisenden mehr abschotten, je touristischer das Gebiet wird, jeder möchte dann lieber in seinem Umfeld bleiben und kann nur wenig mit den jeweils anderen Reisearten anfangen. Uns erscheint diese Atmosphäre irgendwie „radikalisiert“.  Spontane Unterhaltungen werden dazu genutzt um „abzudrücken“. Kommt man in die Nähe des vermeidlichen Helden, kann es durchaus passieren, dass gleich ein Wettstreit ausbricht. Erzählen wir von einer kurzen Wanderung in der Nähe des Campingplatzes, die man am Nachmittag zwischen zwei Wolkenbrüchen unternommen hat, kommt als Reaktion, dass er noch länger und vor allem noch härter gewandert ist. Selbstverständlich hunderte Höhenmeter bei wirklich wüstem Wetter, natürlich mit zig Kilos auf dem Rücken, aber alles sei nur eine Leichtigkeit. Es sind irgendwie immer die gleichen Geschichten, die uns einige Leute erzählen, nach der Maßgabe: wer reist am Umweltbewußten, wer reist am Coolsten, wer ist der beste Sportler auf der Reise. Wer hat die abenteuerlichsten Berge bestiegen oder die teuersten Reisen unternommen. Es wird abgedrückt was das Zeug hält und das sogar ungefragt und laut, dass es jeder hört.

 

Uns war das bislang nie so aufgefallen, aber irgendwann amüsierte es uns und es gab uns ein gewisses Maß an Unterhaltung diese Beobachtungen zu machen. Selbst unter Langzeitreisenden gibt es diese Helden, aber das sind Zeitgenossen, die man lieber umgehend meidet, da sie anfangen Deine Vorräte aufzuessen. 

 

Allerdings finden wir es schade, dass gerade deutsche Urlauber ganz besonders groß im Pflegen ihrer Stilblüten und Reiseunarten sind. Konnte ich doch bislang eine Lanze für meine Landsleute brechen, gehen uns diese „Höher-Weiter-Schneller-Helden“ hier gehörig auf die Nerven. Die kleinen Nickeligkeiten wie zum Beispiel die in Norwegen oft übliche Gemeinschaftsküche für die nachfolgenden Nutzer nicht ordentlich zu hinterlassen oder zu dichtes ungeduldiges Auffahren auf engen Fjordstraßen können wir noch gerade verzeihen. Für den kühl-entspannten Norweger ist es halt im Jahre 2018 einfach schon selbstverständlich seinen Müll mit den eigenen Händen wegzutragen, auch wenn er dafür den Campingplatz teuer bezahlt hat oder er wartet geduldig hinter dem langsamen Vordermann bis dieser in eine der vielen Ausweichbuchten eingefahren ist, um den Schnelleren dann passieren zu lassen. Der Deutsche scheint teilweise von diesem Standard jedoch noch Jahre entfernt zu sein. 

 

Selbst wir wurden schon Opfer deutscher Reiseunarten und wurden gar von einer überaus besorgten Mittvierzigerin streng gemaßregelt. Wir wissen nicht, was ihre Motive waren. Vermutlich war sie kein Freund von Dieselfahrzeugen oder hatte gar Angst um die gute Luft in Norwegen. Ich erinnerte mich später schmunzelnd an den Norweger, der sein Auto an der Tankstelle anließ, während er im Shop einkaufte. Es ärgert uns aber, dass gerade deutsche Urlauber oft nur ihren eigenen persönlichen Maßstab, den sie Zuhause im eigenen Umfeld an den Tag legen, auch auf Reisen unabrückbar weiterverfolgen, ohne Rücksicht auf die Gegebenheiten, die sie im jeweiligen Land vorfinden oder auch auf andere Mitreisende. 

 

 

Diese Helden werden immer schneller sein, vor allem darin den Ort wieder zu verlassen. Das beruhigt uns, es werden zwar neue Helden kommen, aber auch diese werden wieder abreisen. Derweil reisen wir langsam weiter und warten einfach bis die Helden-Reisezeit wieder vorbei ist.